Safe Abortion Day – Unsere Kundgebung am 28.09.2020

Safe Abortion Day – Unsere Kundgebung am 28.09.2020

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UPDATE: Nach dem Safe Abortion Day ist das Colectivo Latinx para la Descolonización del Feminismo mit einer solidarischen Kritik (https://www.facebook.com/104043247735802/posts/212647626875363/) an das Frauen*- und Queerstreikbündnis Bremen herangetreten. Darin wird unter anderem unser Aufruf zu einer Kundgebung an diesem politisch historischen Tag, der in feministischen Kämpfen in Lateinamerika entstanden ist, ohne die gleichzeitige Sichtbarmachung der Hintergründe kritisiert.
Der Safe Abortion Day wurde ursprünglich von Feminist*innen in Lateinamerika und der Karibik initiiert. Diese starteten 1990 in San Bernardo die „Campaña 28 de Septiembre por la Despenalización del Aborto en América Latina y El Caribe“ (auf deutsch: Kampagne 28. September für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Lateinamerika und der Karibik), um den Zugang zu sicheren, legalen und bezahlbaren Schwangerschaftsabbrüchen zu erkämpfen. Das Datum, der 28. September, bezieht sich dabei auf das „Lei do Ventre Livre“ – übersetzt: Gesetz des freien Bauches – das an diesem Tag im Jahr 1871 in Brasilien verabschiedet wurde und besagt, dass künftig von Sklavinnen geborene Kinder frei sein sollten. Die Kämpfe der feministischen Bewegungen in Lateinamerika rund um den Safe Abortion Day sind mit dem spezifischen Hintergrund neokolonialer Strukturen und den Erfahrungen prekärer Lebens- und Arbeitsbedingungen verwoben. 
Wir möchten diese feministischen Kämpfe nicht durch unsere Forderungen, die aus einem anderen Kontext und Erfahrungen entstehen, vereinnahmen, sondern solidarisch mit ihnen stehen. (Obwohl wir uns in der Vorbereitung mit der Historie dieses Tages auseinandergesetzt haben, haben wir in unserem Redebeitrag keinen Bezug darauf genommen.) Durch diese Nicht-Handlung haben wir uns den Aktionstag rassistisch angeeignet. Durch diese Praxis haben wir die spezifischen Kämpfe und Erfahrungen von BIPoC unsichtbar gemacht, indem wir den Aktionstag für unsere eigenen Kämpfe und Forderungen genutzt haben, ohne auf die Hintergründe einzugehen. Dies ist ein Zeichen der rassistischen Strukturen im Bündnis bzw. in diesem Fall vor allem bei uns als verantwortlicher AG, die die Kundgebung vorbereitet hat. Hierfür möchten wir uns entschuldigen! Wir arbeiten daran, diese Strukturen zu reflektieren, zu verändern und diese Fehler in Zukunft nicht zu wiederholen.
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UPDATE: After the Safe Abortion Day, the Colectivo Latinx para la Descolonización del Feminismo approached the Women* and Queer Strike Alliance Bremen with a solidary critique (https://www.facebook.com/104043247735802/posts/212647626875363/). Among other things, they criticized our call for a rally on this politically historic day, which originated in feminist struggles in Latin America, without simultaneously addressing the background.
The Safe Abortion Day was originally initiated by feminists in Latin America and the Caribbean. They launched the “Campaña 28 de Septiembre por la Despenalización del Aborto en América Latina y El Caribe” (September 28 Campaign for the Decriminalization of Abortion in Latin America and the Caribbean) in San Bernardo in 1990 to fight for the access to safe, legal and affordable abortions. The date, September 28, refers to the “Lei do Ventre Livre” – translated: Law of the Free Belly – which was passed on this day in 1871 in Brazil, stating that in the future children born to slaves should be free. The struggles of feminist movements in Latin America around the Safe Abortion Day are interwoven with the specific background of neocolonial structures and the experiences of precarious living and working conditions. 
We do not want to appropriate these feminist struggles through our demands, which arise from a different context and experiences, but stand in solidarity with them. Although we have learned about the history of this day in our preparations, we did not refer to it in our speech. Through this non-action, we have racially appropriated this day of action. Through this practice, we have made the specific struggles and experiences of BIPoC invisible by using the day of action for our own struggles and demands without addressing the background. This is a sign of racist structures in the alliance, or in this case especially in our structures as the working group who was responsible for organizing the rally. We would like to apologize for this! We are working to reflect on these structures, to change them and not to repeat these mistakes in the future.

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Am 28.09.2020 um 17 Uhr versammelten sich anlässlich des Safe Abortion Day, dem internationalen Tag für sichere Abtreibung, rund 250 Menschen auf unserer Kundgebung auf dem Marktplatz in der Bremer Innenstadt. Gemeinsam demonstrierten wir dort unter der zentralen Forderung: „Selbstbestimmte Entscheidung für und gegen Schwangerschaft. Überall. Für alle.“ für sichere Schwangerschaftsabbrüche und reproduktive Gerechtigkeit. Dabei geht es sowohl um das Recht eine Schwangerschaft zu verhindern oder abzubrechen als auch um das Recht schwanger zu werden, frei über Entbindungsmöglichkeiten entscheiden zu können und Kinder frei von struktureller und interpersoneller Gewalt großzuziehen.

Der Abbruch von Schwangerschaften wird durch die Paragraphen §218 und §219a kriminalisiert, durch traditionelle Rollenbilder und Stereotype gesellschaftlich tabuisiert. Gleichzeitig wird die Entscheidungsfreiheit schwanger zu werden und Kinder zu bekommen Menschen strukturell abgesprochen. Hier greifen Patriarchat, Kapitalismus, Rassismus, Sexismus, Klassismus, Queerfeindlichkeit und andere Kackscheiße wie gewohnt Hand in Hand: Ende von Zwangssterilisierung, Zwangsverhütung und Deutschlands Wunsch nach weißen, dya-cisgeschlechtlichen, heterosexuellen, nicht-behinderten Akademiker*innen!  Wir hingegen fordern eine solidarische Gesellschaft, die alle Formen des Elternseins akzeptiert und Unterstützung für alle Eltern leistet: unabhängig von ihrer Identität!!!

Die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft, für oder gegen Kinder, muss vor dem Hintergrund gesellschaftlicher, ökonomischer und politischer Verhältnisse aus einer intersektionalen Perspektive betrachtet werden. Sie ist nicht nur eine individuelle Entscheidung sondern immer auch eine politische. In der patriarchalen Gesellschaft, in der wir leben, erscheint der Zugriff auf Körper mit Uterus legitim. Dagegen kämpfen Feminist_innen schon immer! Wir fordern: Alle Schwangeren müssen das Recht auf und den Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch haben! Wichtig ist: Schwanger können nicht nur (und nicht alle) Frauen werden, sondern auch inter*, nicht-binäre Personen und trans* Männer. Neben der Geschlechtsidentität dürfen auch Alter, sozialer und ökonomischer Status, Be_hinderung, Weltanschauung, rassistische Zuschreibungen, Aufenthaltsstatus und Sexualität keine Rolle spielen. Wir fordern: Die Abschaffung der Paragrafen 218 und 219a! Schluss mit dem sexistischen Müll! Schluss mit der Stigmatisierung! My body, my choice!

Dies wurde auch in den Redebeiträgen von der politischen Gruppe Riff, dem Verein trans* Recht, Profamilia und dem Frauen- und Queerstreikbündnis thematisiert. Außerdem wurden verschiedene Erfahrungsberichte von betroffenen Personen über Audio abgespielt und vorgelesen. Wir danken allen Redner*innen und allen, die dabei und daran mitgewirkt haben! Alle Redebeiträge und Erfahrungsberichte können auch online noch unter diesem Link in verschiedenen Sprachen gelesen werden: https://fstreikbremen.noblogs.org/post/2020/09/09/isad/.

English:

On 28.09.2020 at 5 pm, on the occasion of Safe Abortion Day, the international day for safe abortion, around 250 people gathered at our rally on the market square in the centre of Bremen. Together we demonstrated there under the central demand: “Self-determined decision for and against pregnancy. Everywhere. For all” for safe abortions and reproductive justice. This concerns both the right to prevent or terminate a pregnancy and the right to become pregnant, to be able to decide freely on delivery options, and to raise children free of structural and interpersonal violence.

The abortion of pregnancies is criminalised by paragraphs §218 and §219a, and socially tabooed by traditional role models and stereotypes. At the same time, the freedom to decide to become pregnant and have children is structurally denied to people. Here patriarchy, capitalism, racism, sexism, classism, queerphobia, and other shit go hand in hand as usual: end of forced sterilisation, forced contraception and Germany’s desire for white, dya-cisexual, heterosexual, non-disabled academics*! We, on the other hand, call for a solidary society that accepts all forms of parenthood and provides support for all parents: regardless of their identity!

The decision for or against pregnancy, for or against children, must be considered from an intersectional perspective against the background of social, economic and political conditions. It is not only an individual decision but always a political one. In the patriarchal society in which we live, access to bodies with uterus seems legitimate. Feminists have always fought against this! We demand: All pregnant women must have the right to and access to a safe abortion! Important: Not only (and not all) women can become pregnant, but also inter*, non-binary persons and trans* men. In addition to gender identity, age, social and economic status, disability, ideology, racist ascriptions, residence status and sexuality must not play a role. We demand: The abolition of paragraphs 218 and 219a! Stop the sexist rubbish! An end to stigmatisation! My body, my choice!

This was also the topic of speeches by the political group Riff, the organisation trans* Recht, Profamilia and the Women’s and Queer Strike Alliance. In addition, various experience reports of people affected were played back via audio and read out. We would like to thank all the speakers* and all those who contributed to this event! All speeches and reports can also be read online under this link in different languages: https://fstreikbremen.noblogs.org/post/2020/09/09/isad/ .

 

 

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