Erfahrungsbericht Nr. 3 Deutsch

Ich möchte heute über meinen Schwangerschaftsabbruch mit euch reden. Ich möchte diese Geschichte teilen, weil ich es wichtig finde, gegen die Tabuisierung anzukämpfen. Ich hätte mir damals gewünscht, dass ich mehr Geschichten kenne – oder überhaupt Geschichten kenne – und Menschen kenne, die einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen haben. Ich habe mir die letzten Jahre immer wieder gewünscht, darüber offen reden zu können, mich aber oft gefagt, wie, in welchen Kontexten und mit wem. Ich konnte mich Personen anvertrauen und das war jedes Mal gut. Trotzdem habe ich mich gefragt, in welchen Situationen es in Ordnung ist, über sowas zu reden, weil es einfach so tabuisiert ist. Deshalb bin ich ganz froh und dankbar, dass es heute die Möglichkeit für mich gibt, meine Geschichte zu teilen und damit vielleicht auch anderen Menschen helfen zu können oder die in Zukunft  vielleicht ungewollt schwanger werdende sich daran vielleicht erinnern.

Mein Schwangerschaftsabbruch ist jetzt drei Jahre her und mir war das damals sofort klar, als ich gespürt habe, irgendwas ist los, und ich die Vorahnung hatte, dass ich schwanger bin, war mir sofort klar, dass es auf keinen Fall für mich klar geht und ich einen Abbruch machen will. Und auch als ich den Test dann gemacht habe, war es für mich sofort klar. Ich habe diese Entscheidung nie angezweifelt und auch nie bereut. In all den Jahren habe ich das nie bereut.

Und obwohl es mir sofort klar war, musste ich zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Das ist gesetzlich geregelt in Deutschland, und hatte aber total das gute Gespräch dort. Also meine Entscheidung wurde nie in Frage gestellt, sondern ich konnte darüber reden, wie es mir geht und in welcher Lebenssituation ich bin. Und ich konnte ganz viele Fragen stellen zum weiteren Vorgehen. Zu den Schritten, die ich noch  machen muss, was ich noch besorgen muss, und wie das funktioniert. Außerdem habe ich vor Ort eine Liste bekommen mit Ärzt*innen, die den Eingriff durchführen. Was neben diesem Tabu und dem Stigma für mich noch belastend war in der Zeit, war, dass der Schwangerschaftsabbruch selbst bezahlt werden muss und ich  irgendwie davor große Angst hatte. In der Beratung wurde mir aber erklärt, dass ich eine Kostenübernahme beantragen kann. Das hängt halt mit dem Gehalt zusammen, wieviel man verdient. Ich habe zu dem Zeitpunkt gar kein Gehalt verdient und nur ein bisschen Geld von meinen Eltern bekommen. Mein Papa hat dann zum Glück einen Zettel für die Krankenkasse geschrieben und bin da auch sehr dankbar, dass ich mit meinen Eltern darüber reden konnte und die eine große Stütze in der Zeit für mich waren. Und es hat mir wieder gezeigt, wie abhängig das auch ist, weil hätte ich kein gutes Verhältnis zu meinen Eltern gehabt, hätte mein Papa mir nicht diesen Zettel ausfüllen können, dass ich von ihnen nur einen kleinen Teil Geld bekomme und davon keinen Abbruch zahlen kann.

Das läuft dann so ab, dass man das halt bei der Krankenkasse beantragt und die das dann vom Land zurückholt. Also es ist auch wichtig und einfacher einen Schwangerschaftsabbruch in dem Bundesland durchzuführen, in dem man gemeldet ist. Ich hatte das Glück zu dem Zeitpunkt in einer Großstadt zu wohnen, allerdings gab es dort trotzdem nur drei Ärzt*innen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt haben und, ja, es war schon auch nicht so einfach und belastend, rumzutelefonieren und nach einem Termin zu fragen, um möglichst schnell einen Termin zu bekommen. Mir war das wichtig, das möglichst schnell hinter mich zu bringen, weil es ja einerseits ungewollt war und ich es beenden wollte. Und neben den Schwangerschaftskomplikationen wie Übelkeit es mir auch körperlich und emotional überhaupt nicht gut ging, also ich hatte einfach totale Magenschmerzen und mein Körper hat sich einfach total dagegen gewehrt.

Ich habe mich für den chirurgischen Eingriff und gegen den medikamentösen Eingriff entschieden, weil ich keine weiteren Schmerzen mehr haben wollte und es auch schnell hinter mich bringen wollte. Natürlich war ich super aufgeregt vor dem Eingriff, aber habe mich irgendwie gut aufgehoben gefühlt. Ich habe im OP-Bericht gelesen, dass der Eingriff tatsächlich nur 5 Minuten gedauert hat – so eine super kleine Sache eigentlich ist und für mich so ein super großes Ding war.

An dem Tag war ich halt noch sehr schlapp und müde, was auch einfach von der Narkose kommt. Was ich super erstaunlich fand, war, dass meine Beschwerden sofort weg waren. Ich hatte gar keine Übelkeit mehr, meine Magenschmerzen und -Krämpfe waren weg und ich hatte auch keine Blutungen irgendwie tagelang und hatte dann 10 Tage später dann nochmal einen Termin bei meiner Gynäkologin, die geguckt hat, ob alles in Ordnung ist und ich keine unregelmäßigen Blutungen habe. Ja, das war irgendwie sehr erstaunlich und ich habe auch gespürt, dass ich mich zum Beispiel bei der Gynäkologin eher unwohl gefühlt habe, die damals den Test bei mir gemacht hat und auch noch geguckt hat, ob alles in Ordnung ist.

Ja, ich bereue es nicht. Ich wünsche mir mehr Offenheit und mehr drüber reden, mehr Enttabuisierung und weniger Stigmatisierung. So ein Schwangerschaftsabbruch kann uns allen passieren.

Und ich wünsche mir mehr Wörter dafür, weil ich es komisch finde zu sagen “ich war schwanger” und mir dafür oft die Worte fehlen, wie ich das benenne. Oder wenn ich über die Zeit spreche und sage “damals, als ich schwanger war” fällt mir irgendwie sehr schwer, dafür die Worte zu finden. Weil ich war zwar schwanger, aber es hat sich nicht so angefühlt wie das, was ich mit einer Schwangerschaft verbinde.

Ich hoffe, dass irgendwie mein Bericht einigen von euch weiterhelfen konnte. Ich stehe dazu und werde auch weiter dazu stehen.

 

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