Vor 2 ½ Jahren, im April 2018, hatte ich einen Schwangerschaftsabbruch. Damals war ich Anfang 20, Mitten im Studium und konnte mir einfach nicht vorstellen, jetzt ein Kind zu bekommen. Mein Entschluss stand ziemlich schnell fest: ich wollte die Schwangerschaft abbrechen. Dafür recherchierte ich zuerst im Internet. Das erste, was ich dort zu sehen bekam, war ein Video von einem Uterus, in dem ein Embryo (dargestellt wie ein Baby der 20. Schwangerschaftswoche) durch medizinische Eingriffe in kleine Stücke gerissen wurde. Dabei riss in dem Video zuerst der Kopf ab, dann die restlichen Gliedmaßen. Informationen darüber, wer solche Abbrüche durchführt und wo sie stattfinden, fand ich nicht. Als ich meine Frauenärztin anrief, sagte mir die Sprechstundenhilfe, sie habe erst in 3 Wochen wieder einen Termin.
Völlig überrumpelt und emotional instabil habe ich mich dann an einen Freund gewendet, der mir den Tipp gab, zu profamilia zu gehen. Dort habe ich sofort einen Termin gemacht, ich wollte nicht noch länger warten. Am Telefon wurde mir gesagt, dass ich, wenn es diese Woche noch klappen soll, das Beratungsgespräch mit einer männlichen Person hätte, für eine weibliche Beraterin müsse ich noch bis nächste Woche warten. Das wollte ich nicht, also entschied ich mich für ein Gespräch mit ihm. Mein Bauchgefühl war nicht ganz überzeugt, aber ich war mir sicher, dass dieser Mensch ausgebildet war für solche Gespräche.
Am Tag der Beratung war ich besonders aufgeregt und emotional. Ich ging alleine zum Termin. Der Mann, der mich gleich beraten sollte, begleitete mich in das Beratungszimmer. Kaum hatte er die Tür geschlossen, brach ich in Tränen aus. Auf mein Weinen ging der Berater aber so gut wie gar nicht ein. Er sagte, er würde sich erst einmal vorstellen, dann hätte ich noch ein wenig Zeit, um mich zu beruhigen. Es stellte sich heraus, dass er eingesprungen war und von Beruf Paartherapeut. Es fiel mir schwer mich zu beruhigen, trotzdem forderte er mich auf zu erzählen, was denn passiert sei. Schluchzend versuchte ich zu berichten.
Gleich nach meinem Bericht erklärte er mir, welche Möglichkeiten es für einen Schwangerschaftsabbruch gäbe. Da ich keine Hormone einnehmen wollte, kam nur eine OP in Frage. Der Berater erzählte mir, dass viele Frauen die OP gut ohne Narkose überstehen würden. Es täte zwar weh, so hätten einige Frauen berichtet, aber (und dabei musterte er meinen Körper) ich sei bestimmt nicht so empfindlich, oder?
Zu dem Zeitpunkt dachte ich, dass ich auf jeden Fall stark genug bin, um mit den Schmerzen klar zu kommen. Ich wusste noch nicht, dass das Ganze nichts mit stark sein zu tun hat. Rückblickend hätte ich mich lieber anders entschieden.
Meine Schwangerschaftsabbruchsberatung fühlte sich nicht wirklich hilfreich an. Ich hätte mir mehr emotionale Unterstützung und Einfühlungsvermögen gewünscht.
Zwei Wochen später war dann der Termin für den eigentlichen Eingriff. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Arzt, wurde ich von einer Krankenschwester in ein Zimmer gebracht, in dem ein halbes Dutzend Betten standen, in denen Frauen* lagen, die entweder gerade einen Schwangerschaftsabbruch hinter oder vor sich hatten. Mein Freund musste draußen warten, durfte aber auf meinen Wunsch hin bei der OP dabei sein. Kurz bevor ich dran war, kam eine junge Frau* aus dem OP Saal zurück und kippte gleich um. Eine Krankenschwester kümmerte sich um sie. Die Stimmung war gedrückt.
Dann war ich an der Reihe. Der Arzt zeigte mir die Fruchtblase des Embryos durch das Ultraschallgerät. Die Krankenschwester hielt meine Hand. Der Eingriff tat furchtbar weh, ich weinte und konnte auch nach dem Eingriff nicht aufhören zu weinen. Meinen Freund hatten sie vergessen während der OP reinzuholen. Noch eine weitere halbe Stunde blieb ich in dem Zimmer mit all den anderen Frauen*, bevor ich endlich raus und in die Arme meines Freundes konnte.
Ich erholte mich schnell. Doch 2 Wochen später rief mich meine Frauenärztin an und sagte, ich müsse heute noch ins Krankenhaus. Da mein Schwangerschaftshormon auch nach 2 Wochen nicht gesunken war, musste ich erneut operiert werden, um Gewebe, das beim ersten Eingriff nicht genügend entfernt wurde, herauszuholen. In der Klinik wollten sie mich am Empfang gleich wieder wegschicken, wir sollen an einem Wochentag wieder kommen. Erst nach einigem Hin und Her wurde eine Ärztin dazugeholt, die mir dringend eine OP am Folgetag mit Narkose, damit ich die Schmerzen nicht noch einmal durchmachen müsse, empfahl. Sowieso würde sie operative Schwangerschaftsabbrüche nur mit Narkose durchführen, weil die Schmerzen einfach zu groß seien. Heute bin ich froh, dass ich mich für die Narkose entschieden habe, denn alles lief gut.
Erst Monate nach dem Eingriff habe ich angefangen mit einzelnen Freund*innen und ausgewählten Familienmitgliedern über das Erlebte zu sprechen. Mich langsam vorzutasten, wer reagiert wie? Dabei habe ich glücklicherweise nur gute Erfahrungen gemacht – ich habe aber auch jedes Mal genau abgewägt, wie die Person reagieren könnte und nur erzählt, wenn ich davon ausging, dass die Person gut damit umgehen würde.
Und trotz all der guten Erfahrungen habe ich immer noch Angst davor, von Menschen stigmatisiert zu werden und behalte diese Geschichte deswegen oft für mich, auch wenn ich sie eigentlich gerne teilen würde.
All denjenigen, die kurz vor einem Schwangerschaftsabbruch stehen: ich wünsche euch, dass ihr eine einfühlsame, informative und sich gut anfühlende Beratung bekommt. Dass die Beratungsstelle euch auch nach dem Eingriff unterstützt oder euch zumindest an unterstützende Institutionen verweist und dass ihr ein sicheres Umfeld habt.
Ich wünsche uns allen besseren Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche und dass es für jede*n von uns frei verfügbare Informationen über alle Ärzt*innen gibt, die Schwangerschaftsabbrüche ausführen.
Unsere Körper gehören uns!