Profamilia

Margot Barkey

Organisatorische Leitung

Des medizinischen Institutes der profamilia Bremen

Darstellung der aktuellen Situation

von Frauen die einen Schwangerschaftsabbruch wünschen

 aus  medizinischer und pflegerischen Sicht

des Medizinischen Institutes der profamilia Bremen

 

Ich möchte mich für die Einladung bedanken, auf dieser Kundgebung des safe abortion day’s sprechen zu können. Denn, das ist unsere Aufgabe im Medizinischen Zentrum  in Bremen und weit darüber hinaus einen sicheren und hygienisch einwandfreien Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen.

Aber zwischen all den Debatten, Gerichturteilen, Vorurteilen und Einlassungen bleibt eine Stimme stumm. Das sind die Stimmen der Frauen die in den letzten Jahren und auch in Zukunft dieses Recht auf Selbstbestimmung in Anspruch genommen haben und auch in Zukunft nehmen möchten.

Um genau diesem  Schweigen der Betroffenen eine Stimme zu geben möchte ich etwas aus dem Alltag der Abtreibungspraxis berichten. Denn  Frauen, die ungewollt schwanger sind,  äußern sich in dieser angeblich so liberalen und offenen Gesellschaft selten öffentlich.  Aber genau dieses „ Nicht Sprechen “ , „Nichts fordern „ „Nicht wissen“  ist ein Ausdruck der des derzeitigen gesellschaftlichen und politischen Klimas. Wohin das wiederum führt, beobachten wir gegenwärtig in Polen und Amerika. Und die Debatten um die Beibehaltung   des Naziparagraphen 219 a § mit geringfügigen  Modifikationen haben rein gar nichts bewirkt. Im Gegenteil. Weiterhin hagelt es Anzeigen auch ganz aktuell wieder gegen die profamilia.

Wir, vom medizinischen Institut begleiten die Frau bei genau diesen letzten Schritten, erklären Ihr den Ablauf, assistieren den Ärzt*innen, beruhigen und halten selbst in diesen Zeiten die Hand während des Abbruches. Wir versorgen sie in der postoperativen Phase, sowohl medizinisch/pflegerisch als auch psychisch stehen wir der Frau bei. Unsere Aufgaben beschränken sich nicht nur in der gesundheitlichen Kontrolle und Schmerzmedikation sondern auch in dem Abschlussgespräch über das Verhalten in den nächsten Tagen. Wir haben bei Bedarf immer ein offenes Ohr für die Gefühle und die Geschichten hinter diesen Entscheidungen und manchmal geht es auch nur um ein Taschentuch. Diese wertschätzende und vorurteilsfreie Umgebung unseres Institutes ermöglicht uns eine einmalige Nähe zu den betroffenen Frauen. Ich kann mir keine sinnvollere Tätigkeit vorstellen. Doch die Erleichterung , die von den Frauen abfällt wundert nicht.

Wir sind leider ein Teil des unerträglichen Systems  und arbeiten am Ende einer Kette von Anforderungen die hinter jedem Abbruchliegt, die einemSpießrutenlauf gleicht. Ein legaler Schwangerschaftsabbruch in Deutschland im Jahr 2020 ist ein Marathon an Arztbesuchen, Erklärungen und Selbstoffenbarungen an jeder Stelle, Pflichtberatungen mit Bescheinigung, Krankenkassenkontakten und Laborbefunden in schriftlicher Form, in dreifacher Kopie und dem passenden Datum. Außerdem muss die Frau eine  Begleitpersonen in der Regel über 18 organisieren. Braucht sie eine Dolmetscher*in ist das ihr privates Problem. Einen Fond für Dolmetscher gibt es für den Schwangerschaftsabbruch im Gegensatz zur Beratung nicht. Des weiteren Zusatzkosten, Fahrten  etc. etc…

Aber nehmen wir an, dass die Frau all diese Voraussetzungen erfüllt dann fangen die Probleme erst an. Glaubt eine Frau in Deutschland sie hätte die Wahlfreiheit der Methode oder des Arztes oder des Ortes wird sie ganz schnell eines anderen belehrt.

„11 Woche?…bei uns erst wieder in drei Wochen“  „Medikamentöser  Abbruch?“… Nur bei meinen Privatpatienten“. „ Abbruch bei einer Ärztin?… darauf können wir leider keine Rücksicht nehmen! „Sie haben keine Krankenkassenkarte, keine Versicherungsnummer?…..dann wird es teuer.

„ Sie haben 20 Mal bei uns angerufen und niemanden erreicht“? … Das ist nicht ungewöhnlich!

Wenn die Frauen uns  telefonisch erreicht haben wird sehr schnell klar, dass die Adressenlisten unvollständig sind und froh sein kann überhaupt in der gesetzlichen Frist einen Termin zu bekommen. Wenn die Frau Glück hat und ihre Schwangerschaft früh genug erkannt hat, hat sie in der Regel  genügend  Zeit für die Organisation. Ansonsten muss sie die Methode und den Termin nehmen der übrig bleibt.  Wenn sie es dann geschafft hat und im medizinischen Zentrum versorgt werden kann hat sie hoffentlich alles dabei denn sonst wird sie nicht behandelt. Und all das in einer körperlichen und psychischen Stresssituation.

„ Ich hätte nie gedacht, dass ich hier mal stehe“  Dies ist mindestens einer der zweithäufigsten Sätze die wir hören und zeigen soll. Jede kann es treffen. Wirklich jede Frau im gebärfähigen Alter.

„ Ich hätte nicht gedacht , dass es so schwierig ist“ „ Und ich wusste gar nicht wie viele Frauen hier sind“, oder „ Ach der Schwangerschaftsabbruch ist verboten?“ „ Und der Abbruch ist gar keine Kassenleistung“?  Nein, der Schwangerschaftsabbruch wird nicht von der Krankenkasse übernommen.

Lasst uns über Geld sprechen. 95 % der Frauen bekommen eine Kostenübernahme von der Krankenkasse genehmigt und wird von den Ländern finanziert. Klingt erst mal nicht schlecht, zeigt aber schon mal wie arm die meisten Frauen in Bremen sind. Der Nettoverdienst darf nicht über ca. 1300€ liegen. Das bedeutet für alle Beteiligten medizinischen Einrichtungen von den jährlich ausgehandelten Punktwerten abhängig zu sein. Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die GKV Spitzenverbände sorgen dafür, dass die Vergütung des Schwangerschaftsabbruchs seit Jahren stagniert. Das erfolgt allerdings bei steigenden Kosten, steigenden Anforderungen, Hygienekonzepten die nicht erst seit Corona umgesetzt werden müssen, Dokumentationen, Wartungen, Validationen, Sicherheitsschutz, Telematikinfrastruktur, Digitalisierung, Datenschutz…

Im Gegenteil: Erst im April versuchten die Spitzenfunktionäre die medizinische  Voruntersuchung aus dem Leistungkatalog ersatzlos, geräuschlos und ohne politische  Aufmerksamkeit zu streichen. Aufgrund der zahlreichen Proteste der Ärzte, profamilia und anderer  Institutionen wurde die Entscheidung rückwirkend zurückgenommen. Die Nachuntersuchung nach einem Abbruch wird aber trotz steigenden Kosten seit dem 1. April geringer  vergütet….. Wie kann das sein?

Diese Beispiele zeigen, dass nicht nur die Frauen sondern auch alle am Schwangerschaftsabbruch Beteiligten,  das finanzielle Wasser abgegraben wird. Dies gefährdet nicht nur die Finanzierung sondern auch den Fortbestand des gesamten medizinischen Versorgung der Frauen  in Deutschland. Es gefährdet den sicheren Schwangerschaftsabbruch und die Gesundheit  der Frauen. Denn es  ist schlicht nicht wirtschaftlich für Ärzt*innen einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Und was kommt danach ? Werden in zehn Jahren die Frauen aus Bremen wieder nach Holland fahren müssen?

Wer entscheidet in den jährlichen Gremien über die Finanzierung?  Welche politische Gesinnung äußert sich in dieser Unterfinanzierung?

Diese unzumutbaren Zustände sind beschämend. Es ist empörend und peinlich im Jahr 2020 hier zu stehen und über solche Zustände berichten zu müssen. In welchem Land der gesundheitlichen Spitzenversorgung, mit einem der besten Gesundheitssystemen der Welt lassen sich freie Menschen so etwas bieten?

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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