(Falls ihr Trans* Recht e.V. noch nicht kennt; wir sind ein Verein, der in Bremen und Umgebung Beratung für Personen anbietet, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht oder nur teilweise identifizieren können. Unsere Beratungszeiten, Kontaktdaten und wie ihr uns mit Spenden unterstützen könnt, findet ihr, wenn ihr uns googelt.)
Dass Menschen die Möglichkeit haben, einen Schwangerschaftsabbruch sicher, legal und selbstbestimmt durchführen zu lassen, ist leider nicht selbstverständlich. Stattdessen werden Aspekte der reproduktiven Selbstbestimmung immer wieder von rechten und auch konservativen politischen Strömungen in Frage gestellt, mit dem Bestreben diese einzuschränken oder gar nicht erst zuzulassen.
Für viele Betroffene ist die medizinische Versorgung in Sachen Schwangerschaftsabbruch nicht so gut, wie sie sein könnte oder besser gesagt, sein müsste. Weil sie z.B. in einem Land leben, in dem es keine oder kaum legale Möglichkeiten für eine Abtreibung gibt und/oder weil das Versorgungssystem sie diskriminiert.
Da ich hier heute für eine trans* Organisation in Deutschland spreche, möchte ich einige Aspekte betonen, die trans* Personen betreffen können.
Vielen cis Personen (das sind Menschen, die sich ausschließlich mit dem Geschlecht identifizieren, dass ihnen nach der Geburt zugeschrieben wurde), ist nicht bewusst, dass einige nicht-binäre und männliche Menschen schwanger werden können. Das erkennen wir daran, dass in Artikeln, Büchern, Infomaterialien und im Sprachgebrauch in der Regel von „der Schwangeren“, also einer schwangeren Frau die Rede ist. Medien oder Einzelpersonen, die bewusst nicht nur von Frauen sprechen, wenn es um Schwangerschaft oder Schwangerschaftsabbruch geht, sind ganz klar in der Unterzahl. Gesellschaftlich betrachtet wird also die Fähigkeit, schwanger werden zu können, ausschließlich mit Frauen verbunden.
Dabei wird vergessen, dass es auch nicht-binäre Personen und Männer gibt, deren Körper über die Organe verfügen, die biologisch betrachtet für eine Schwangerschaft notwendig sind.
Dementsprechend ist eine Abtreibung zu haben keine ausschließlich „weibliche“ Erfahrung. Es gibt Männer und nicht-binäre Personen, für die der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen genauso ein Thema ist wie für cis dya Frauen. Sie werden jedoch nicht als Betroffene an_erkannt und das führt zu Barrieren und diskriminierenden Situationen.
Wer in Deutschland einen Schwangerschaftsabbruch braucht, der nicht auf Grundlage einer sog. medizinischen oder kriminologischen Indikation durchgeführt wird, muss ein Beratungsgespräch wahrnehmen. Es gibt Beratungsstellen von verschiedenen Trägern, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten.
Nicht-binäre Menschen und trans* Männer stellen sich vor so einem Gespräch Fragen, die sich cis dya Frauen nicht stellen müssen. Zum Beispiel: Sind die Angestellten der Beratungsstelle trans*feindlich? Werden sie mich ernst nehmen oder mich die ganze Zeit falsch als Frau ansprechen? Weiß die Beratungsstelle, ob die Ärzt*innen, an die sie mich vermitteln, trans*feindlich oder trans*freundlich sind?
Viele trans* Personen machen schlechte, übergriffige Erfahrungen im Gesundheitssystem. Zum Beispiel weil die verschiedensten Beschwerden einfach auf ihr trans* sein zurückgeführt werden. Oder weil sie erleben mussten, wie Ärzt*innen sie nicht behandeln wollten oder sie als „exotische Studienobjekte“ angesehen haben.
Das Problem fehlender Sensibilität oder ein Mangel an Akzeptanz beginnt jedoch nicht in der Beratungsstelle und hört in der Arztpraxis auf. Damit Menschen ihr Recht auf reproduktive Selbstbestimmung wahrnehmen, verantwortungsvoll handeln und für sich gute Entscheidungen treffen können, müssen sie über ihre Körper Bescheid wissen. Gängige Informationsmaterialien und -webseiten, die über Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbrüche oder Verhütung aufklären, denken trans* Personen als Zielgruppe aber oft nicht mit. Dementsprechend beantworten sie auch keine Fragen, die trans* Personen sich ggf. stellen. Zum Beispiel ob und wie eine Hormonersatztherapie die Fruchtbarkeit beeinflusst.
Ständig misgendert zu werden, ist für die Betroffenen extrem unangenehm und das Gleichsetzen von „schwanger werden können“ mit „Frau Sein“ sorgt für eine weniger gute Versorgung von nicht-binären Menschen und trans* Männern. Schon bei der Pille danach kann das zu Problemen führen.
Die Bundesapothekerkammer legt Apotheker*innen nahe, das Medikament nur direkt an die Betroffenen herauszugeben, damit sichergestellt werden kann, dass die Person angemessen beraten wurde. Wenn Menschen nach der Pille danach fragen, die für die*den jeweilige*n Apotheker*in nicht so aussehen, wie er*sie sich eine Frau vorstellt, führt das zu Schwierigkeiten. Denn es ist sehr gut möglich, dass Betroffenen nicht geglaubt wird, wenn sie erklären, dass sie dieses Medikament für sich selbst brauchen.
Um die Situation für betroffene trans* Personen zu verbessern, ist es nötig, dass alle Beteiligten – Beratungsstellen, Apotheker*innen, Ärzt*innen – sich weiterbilden und wir gesellschaftlich anerkennen, dass nicht ausschließlich Frauen schwanger werden. Das wird wohl ein zäher, langwieriger gesellschaftlicher Prozess – aber das Dinge schwierig sind und lange dauern kennen wir ja auch aus anderen Kontexten, in denen es um die reproduktive Selbstbestimmung von marginalisierten Gruppen geht.
Da heute der Safe Abortion Day ist, habe ich vor allem Aspekte angesprochen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen oder Verhütung für betroffene trans* Personen beleuchten. Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass unter den Begriff reproduktive Selbstbestimmung noch einige andere Dinge fallen, die trans* Personen betreffen können. Denn auch bei der Gesundheitsversorgung während einer Schwangerschaft oder in der moderne Reproduktionsmedizin werden trans* Personen und ihre Körper nicht mitgedacht, weil in sämtlichen medizinischen Bereichen eine cisnormative Haltung vorherrscht. Cis-Sein gilt als „das Normale“, während trans*-Sein „das Andere“ ist.
Körperliche und reproduktive Selbstbestimmung beinhaltet, dass Personen ein legaler und sicherer Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen garantiert werden muss. Genauso muss ihnen aber auch garantiert werden, dass ihre körperliche Unversehrtheit geschützt wird und sie nicht benachteiligt werden, wenn sie ein Kind austragen oder sich allgemein dafür entscheiden, Kinder großziehen zu wollen.
Bis 2013 mussten trans* Personen in Deutschland sich sterilisieren lassen, damit sie die Erlaubnis bekamen, ihren Personenstand offiziell ändern zu lassen. In vielen anderen Ländern ist dies immer noch der Fall. Es ist kein Zufall, dass eine cisnormative Gesellschaft Gesetze und Denkweisen hervorgebracht hat, die die Reproduktionsorgane und somit die Körperautonomie von abinären, trans* weiblichen und trans* männlichen Menschen angreifen und verletzen. Es geht hierbei nämlich nicht um bloße Organe, Körperteile und ihre biologischen Funktionsweisen. Es geht darum, welche Familienformen als erwünscht gelten und welche verunmöglicht werden sollen. Es geht darum, welche Menschengruppen als wertvoll betrachtet und welche abgewertet werden, weil man „solche Leute hier nicht haben will und auch nicht ihre Kinder“.
An dieser Stelle sollte klar werden, dass Kämpfe verschiedenster Communities miteinander verstrickt sind. Behindertenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Klassismus und Trans*feindlichkeit zum Beispiel – in all diesen Formen der Abwertung und Unterdrückung lassen sich Denkweisen finden wie: „Die sollten keine Kinder bekommen dürfen“ oder „Die können das doch gar nicht entscheiden. Die wissen nicht, was gut für sie ist.“
Und deshalb wiederhole ich jetzt einfach mal die Forderung des Frauen- und
Queerstreikbündnisses Bremen: Selbstbestimmung und reproduktive Gerechtigkeit für alle!
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